Im Laufe des vergangenen Jahrzehnts ist die OCT, zusammen mit der Perimetrie (Gesichtsfeldmessung), zum Pflegestandard bei der Diagnose und dem Management des Glaukoms geworden. Der stärkste Hinweis auf ein Glaukom ist die fortschreitende Abnahme der Schichtdicke (Schwund) der retinalen Nervenfaserschicht (RNFL) entlang des makulapapillären Bündels über einen bestimmten Zeitraum hinweg. Strukturelle Veränderungen des Nervenfaserkopfes (ONH) in Form einer Exkavation oder Aushöhlung lassen sich anhand der OCT quantifizieren. Auch eine Atrophie (Gewebeschwund) der retinalen Ganglienzellenschicht (GCL) und die Gesamtstärke der Makula sind messbar.
Üblicherweise verursacht eine ischämische Beschädigung des Sehnervs eine mäßige oder starke Schwellung des ONH aufgrund von Sauerstoffmangel. Die Behandlung mit Steroiden ist immer noch umstritten, da noch kein Nutzen nachgewiesen werden konnte. Für gewöhnlich klingt diese Schwellung 8-12 Monate nach dem Eintreten von NAION ab, jedoch ohne Wiederherstellung der Sehkraft. Bei einer chronischen NAION zeigt sich der Schwund der RNFL und GCL. Die OCT-Angiographie ist ein besonders nützliches Gerät für die Diagnose von NAION, da es in der Lage ist, eine reduzierte Kapillardichte sowie die Attenuierung ausgedehnter Blutgefäße darzustellen.
Leberscher hereditäre Optikusneuropathie: Bei der LHON tritt die primäre Schädigung auf der Ebene der retinalen Ganglienzellen auf, sekundär begleitet vom Sehnerv. Die OCT erfüllt eine Schlüsselrolle bei der Diagnose und der Ermittlung des Stadiums der LHON, da die OCT-Muster sich je nach Stadium sehr stark unterscheiden. Bei frühen oder akuten Schüben der LHON kann die RNFL aufgrund eines axonalen Ödems eine Zunahme aufweisen. Im Allgemeinen zeigt sich bei einer chronischen LHON primär ein temporaler Schwund der RNFL und ein sehr starker Rückgang der GCL aufgrund der progredienten Atrophie.
Der Sehnerv neigt dazu, anfällig für systemische Autoimmunentzündungen zu sein. Klinische OCT-Ergebnisse zeigen, dass der temporale Aspekt der RNFL bei einer optischen Neuritis am stärksten betroffen ist, womit nicht nur lokale pathologische Charakteristika wiedergespiegelt werden, sondern auch axonale Degenerationsprozesse. Makula-Scans lassen einen deutlichen GCL-Schwund erkennen, der durch Zellschäden und eine anschließende Atrophie entsteht. Bei einer chronischen Sehnervenentzündung sind ein paar Monate nach Ausbruch deutlich dünnere RNFL zu erkennen. Ähnlich wie bei anderen Erkrankungen kann bei akuten Schüben die Schwellung des ONH eine außergewöhnliche Verdickung der RNFL hervorrufen.
Bei der Sehnerv-Hypoplasie liefert die OCT genaue Messungen der verkleinerten Sehnervenscheibe, die bei einer medikamentösen Fundusuntersuchung festgestellt werden kann. Hypoplastische Sehnervenscheiben haben eine verringerte horizontale Ausdehnung, eine geringere Vertiefung und eine dünne peripapillare RNFL. Eine Hypoplasie der Fovea (Sehgrube) lässt sich als verringerte Makulastärke, verringerte Dicke der GCL und RNFL-Schwund erkennen.
Die OCT hat sich bewährt bei der Unterscheidung von ONH-Ödemen und tiefsitzenden Drusen. Während bei einem Ödem Veränderungen bei der Schichtstärke der RNFL und GCL vorliegen, sind diese Lagen bei Drusen nicht betroffen. Bei einem Ödem kann der anteriore ONH eine abnormale Schwellung der RNFL aufweisen, während der hintere ONH eine glatte Kontur hat. Bei einer kleinen oder mäßig großen tiefsitzenden Drusenpapille ist der vordere ONH jedoch meist nicht betroffen, während der hintere ONH „Dellen“ aufweist, die tiefsitzende Drusenpapillen anzeigen. In schweren Fällen von Drusenpapillen kann eine RNFL-Atrophie sowie ein geringer Sehverlust eintreten.